Im Rhein nur mit Verantwortung

Das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung

Der Rhein ist Allmend. Er wird von vielen und darf von allen benutzt werden. Schwimmenden, Kanuten, Stand Up-Paddler, Weidlingfahrer, Motorböötler und diverse Grossschifftypen. Wie auf einer Strasse muss man miteinander auskommen. Allerdings gibt es im Rhein weniger fixe Regeln. Deshalb muss hier besonders an die Vernunft appelliert werden. 

Die IG Rheinschwimmen setzt sich für ein freies und selbstverantwortliches Rheinschwimmen ein. So steht es im Zweckartikel der Statuten der IGR. Mit «frei» ist nicht Chaotentum gemeint, denn dieses ist nicht «selbstverantwortlich». Um das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung zu verdeutlichen, werden im Folgenden die fiktiven Figuren Fritz und Frieda eingeführt.

Schauen wir dem imaginären Fritz zu, wenn er Schwimmen geht. Vom Ufer rennt er in den Fluss und krault ein paar Züge, dann gerät er in die Fahrspur eines Stachlers. Dieser muss abrupt ausweichen, seine zwei Passagiere fallen beinahe ins Wasser. Der Stachler schimpft, bezichtigt ihn des dummen Verhaltens. Fritz muss das eingestehen und entschuldigt sich für sein Fehlverhalten. Das Zusammentreffen hätte schlimm ausgehen können. Mit einem schlechten Gewissen schwimmt er daraufhin dr Bach ab.

Was zeigt diese Geschichte? Fritz riskierte eine Kollision mit dem Boot, während die Passagiere im Boot Gefahr liefen, dass es kippt oder vom Kurs abkommt. Die Geschichte handelt von Verantwortung. Verantwortung bedeutet, dass jemand (hier: Fritz) für sein Verhalten (falsches Schwimmen) gegenüber anderen (hier: Stachler, Passagiere) verantwortlich ist und dafür Rechenschaft ablegen muss.

Als Schwimmende im Rhein gehen wir für uns selbst Risiken ein und gefährden darüber hinaus möglicherweise andere.  Mit dem eigenen Schwimmgebaren steht man nicht nur gegenüber sich selbst, sondern auch gegenüber unbeteiligten Anderen unter dem Druck der Verantwortlichkeit. Wenn Fritz im Mai nach einer Joggingtour stark überhitzt ins noch kalte Wasser springt, und beinahe einen Kollaps erleidet, zeigt das mangelndes Selbstverantwortungsbewusstsein. Wenn ihn nun eine bisher unbeteiligte Person rettet, so zeigt dies, dass die Verantwortung sich selbst gegenüber nicht stehenbleibt, sondern auch Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihm wohlgesinnten und fremden Dritten beinhaltet. Retter begeben sich oft in riskante Situationen, nur um jemanden aus einer Gefahr zu holen. Diese Situationen sollte man, wie Fritz, nicht herausfordern.

Rheinschwimmen ist eine gesellschaftliche Angelegenheit, die sich nicht auf Freunde und Bekannte beschränkt. Stachler, eher selten Stachlerinnen, deren Passagiere, Kapitäne, Steuermänner der Grossschiffe, Motorbootfahrer, Stand Up-Paddler, Fährimänner und Fährifrauen und selbstverständlich die Schwimmenden untereinander gehören der Flussgesellschaft an. Auch die Flussuferleute, die sich sonnen, lesen, in den Fluss schauen und schwatzen, dürfen nicht vergessen werden. Um das Verantwortungsproblem zu verdeutlichen, betrachten wir zwei typische Basler Schwimmereignisse und eine beängstigende (aber erfundene) Horrorgeschichte.

Rote Bojen

Die wagemutige Frieda, eine sehr leistungsfähige und rheingeübte Schwimmerin, startet zügig am Tinguelystrand und schwimmt an einer roten Boje vorbei Richtung Grossbasel. Am Ufer beobachten Icks und Ypsilon die Frieda und meinen, dass Schwimmen ausserhalb der roten Bojen verboten sei. «Diese Schwimmerin sollte gerüffelt werden und eine Busse bekommen.» Icks und Ypsilon irren sich. Die Bojen geben keine gesetzliche Schwimmgrenze vor. Es sind Hinweisbojen. Das Basler Schwimmplakat markiert diesen Bereich deshalb als «Gefahrenzone». «Hier ist Schwimmen empfohlen, dort wird davon abgeraten.» Den schlechten und unaufmerksamen Schwimmende sowie den Rheinneulingen ist vom Schwimmen in der Fahrrinne der Grossschiffe abzuraten. Den Fluss in schnellen Zügen queren, ist erlaubt. Frieda tut dies auch sehr umsichtig. Sie hat sich vergewissert, dass weder von der Schleuse her noch von der Wettsteinbrücke her ein Schiff naht. Sie weiss, sie sind grösser und haben weit stärkere Motoren als noch etwa vor 20 oder 40 Jahren. Flussaufwärts fahren sie vergleichbar schneller und flussabwärts sind sie sowieso deutlich schneller als das Wasser unterwegs, denn auf der Talfahrt bedürfen sie gegenüber dem Wasser einen ständigen Geschwindigkeitsvorsprung, damit sie nicht (ganz) manövrierunfähig werden. Frieda gelangt ungefährdet ans Grossbasler Ufer.

Motorboote

Motorboote machen den Schwimmer:innen Angst. Oft fahren sie zügig auf Schwimmende zu. Diese fühlen sich unmittelbar bedroht, sehen sich im Geiste bereits überfahren. Kleinboote können gut ausweichen, wenn sie der Schwimmenden gewahr werden. Aber die Schwimmenden sehen nicht, ob der Motorbootfahren sie gesehen hat und noch ausweichen wird. In einer solchen Situation können sich die Schwimmenden gegenüber den Fahrern sichtbar machen: Winken oder besser noch mit den Füssen Wasser hochspritzen, das ist unübersehbar. So werden die Böötler an ihre Verantwortungssituation erinnert. Eine kleine Winkeländerung der Fahrrichtung gegenüber der Schwimmlinie reicht den Schwimmenden erkennen zu geben, dass die Gefahr gebannt ist. Ein vernünftiges Fahrtempo ist sehr ratsam. An die Verantwortung der Bootsfahrer appellieren, hilft zum entspannten Schwimmen.

Grosse Schiffe

Eine letzte diesmal schreckliche Tragödie hat sich mit dem imaginären Fritz zugetragen. Er wollte Frieda nachahmen, obwohl er nur in der eigenen Einschätzung ein guter Schwimmer war und umsichtig war er sowieso nicht. Er startet im Kleinbasel unterhalb der Solitude. Vom Kraftwerk Birsfelden naht mit hohem Tempo ein 110 Meter langes Frachtschiff. Der Lotse lässt das Schiff hornen und der Mann am Bug fuchtelt mit den Armen. Aber die Geschichte endet tragisch: Der imaginäre Fritz endet in der Schiffsschraube. Dem Schiffslotsen geht das Fritzsche Schicksal bis tief ins Gewissen. Er fühlt sich mitschuldig, obwohl er mit dem Schiff in der Kurve zur Wettsteinbrücke nicht vom Kurs abweichen konnte, ohne das Schiff in Gefahr zu bringen, so z. B. mit den Brückenpfeilern zu kollidieren, daran zu zerschellen und Leute (korrekte Schwimmende, Paddler …) in Gefahr zu bringen. Er steht am Ruder und sieht, dass er machtlos ist. Der Lotse kam zur Beurteilung seines Verhaltens vor den Strafrichter. Der Richter musste alle Argumente pro/contra Manöver etc. würdigen und abwägen. Eine Straftat fand er nicht, er sprach den Lotsen frei.


Die IG Rheinschwimmen hält das verantwortungsvolle Agieren als das A und O der Rheinbenützung. Ganz nach dem Grundsatz: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.»


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