Ein grosses Gütermotorschiff fuhr im August 2012 bei der Bergfahrt durch die Schwarzwaldbrücke. Des konstruktionsbedingten Sichtschatten und der Brückenpfeiler wegen übersah der Lotse auf der Kommandobrücke, dass das Schiff ein Vermessungsboot mit vier arbeitenden Männern überfuhr, von denen zwei ums Leben kamen. Seither wacht auf dem Bug eines jeden Schiffes ein Mann, ob die Schifffahrtsrinne frei ist. Das Unglück hätte mit dem Ausguck vermieden werden kann, den bergwärts kann ein Schiff gestoppt werden. Die Basler Rheinhäfen haben die Konsequenzen aus dem Unfall gezogen und verlangen seither von allen Schiffen, die von ihren Lotsen durch Basel gesteuert werden, einen Mann am Bug als Ausguck. Unfälle passieren auf dem Rhein glücklicherweise seltener als im Strassenverkehr. Trotzdem sind die Havarien von Frachtschiffen im Basler Rhein zu besprechen.
Das mit 1000 t Koks beladene Schiff scheiterte in der Bergfahrt bei Hochwasser an der Strömung im Jochbogen der Mittleren Brücke. Einer der zwei Motoren war durch Schwemmgut lahmgelegt worden.
Quelle: E. Keller in der Schweizerische Bauzeitung 76(1958), Heft 33, S. 489.
Das Schleppschiff «Glarus» zog das Tankschiff «Padella» (mit 900 Tonnen Heizöl beladen) rheinaufwärts. Ein technischer Schaden in der «Glarus» zwang diese zum Ankern. Der Stopp liess das Schleppseil reissen und die «Padella» hilflos rheinabwärts treiben. Sie blieb an der alten Johanniterbücke hängen. Das Heizöl wurde zur Hälfte abgepumpt und zur andern Hälfte mit dem geborgenen Schiff abgeführt.
Quelle: Schweizer Reedereien
Die «Corona» war ein Schubleichter, somit ohne wesentlichen Eigenantrieb. Bergwärts gestossen wurde sie vom Schubschiff «Vogel Gryff». Der Unfall geschah bei Hochwasser unter der Mittleren Brücke. Die «Corona» wurde von der Strömung abgetrieben und legte sich an der Brücke quer in den Fluss. Die «Vogel Gryff» kam schadlos davon. Die Bergung der leck geschlagenen «Corona» zog sich über mehr als zwei Wochen dahin. Die 930 Tonnen Tonerde waren glücklicherweise eine harmlose Fracht.
Quelle: NZZ, 21.09.2020
Die «Merlin» war Kiesschiff, das mit einem Baggerkran ausgerüstet war. Am Arbeitsort vor dem Kleinbasler Ufer kenterte das Schiff und trieb kieloben flussabwärts. Der lange Baggerarm verfing sich auf dem Grund und brachte das Schiff im Rheinhafengebiet zum Stehen.
Quelle: BZ
Oberhalb der Mittleren Brücke fiel beim Containerschiff «Camaro VI» am 18. Juli 2019 auf der Talfahrt die Steuerung aus. Sie trieb durch die Mittlere Brücke und die Johanniterbrücke und touchierte dabei bei beiden Brücken einen Pfeiler. Schwimmerinnen und Schwimmer im Fluss konnten das Ufer mit einem gehörigen Schrecken erreichen, niemand kam weiter zu Schaden. Noch funktionierten die Bugstrahler. Der Steuerkunst des Lotsen ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmes passiert ist. Unterhalb der Dreirosenbrücke gelang es ihm das Schiff ans Ufer zu lenken.
Quelle: Tagesanzeiger
Beim eingangs erwähnten Unglück starben zwei Personen, bei allen anderen aufgelisteten Schiffsunglücken kamen keine Menschen zu Schaden. Aber dieses erstere Ereignis führt im Informationsmarkt eher ein Schattendasein. So fehlt etwa seine Erwähnung in der Wikipedia-Liste der Schiffsunglücke im Artikel «Rheinschifffahrt». Denn es kam kein Grossschiff zu Schaden und es gibt da nichts Sensationelles in Bildern und Videos zu zeigen; also geht das Ereignis medial schneller unter. Glücklicherweise kamen bei den Havarien auch keine unbeteiligten Leute zu Schaden.
Der Rhein weist in Basel komplizierte Strömungsverhältnisse durch die Kurve auf. Die Strömung ist am Prallhang stärker denn am Gleithang. Es kann geschehen, dass das Schiff am Bug in anderen Strömungsverhältnissen fährt als am Heck. Basel hat inklusive Eisenbahnbrücke sechs Brücken. Die schwierigste Brücke ist die Mittlere Brücke, ein Nadelöhr: Sie steht sehr tief über dem Wasser und hat nur schmale Jochbogen. Ein Schiff hindurch zu steuern ist eine hohe Kunst. Bei den leeren und deshalb hohen Frachtschiffen bleibt bei der Talfahrt nicht viel Freiraum unter der Brücke übrig. Scheitert ein Schiff in Basel, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es eine Brücke in sein Scheitern einbezieht. Das war ausser beim Baggerschiff bei allen Grossschiffshavarien der obigen Aufstellung der Fall. Deshalb benötigen die Schiffer für diese Fahrt ein spezielles Hochrheinpatent. Darüber verfügen nicht alle Schiffsführer, weshalb der Lotsendienst des Basler Rheinhafens täglich vielfach zum Einsatz kommt.
Aus einer Schiffspanne kann auch ein Grossunfall entstehen. Nicht vorstellbar wäre die Katastrophe, wenn eine Schiffsladung mit einer Kohlenwasserstoffladung (Heizöl, Benzol etc.) an einer Brücke hängenbliebe und die Ladung in Brand geriete! Ob im Extremfall auch die naheliegenden Häuser in Mitleidenschaft gezogen werden könnten?
Die Reedereien fordern im Hintergrund Effizienz und von den Lotsen wird verantwortliches Handeln verlangt. Bei den gelisteten Unfällen handelt es sich letztlich um Ereignisse aufgrund technischen Versagens. Ob vorgängig Menschen Fehler gemacht haben, können wir auf Grund unserer Informationslage nicht beurteilen. Die Technik kann bei aller vorsichtigen Überwachung und Betreuung ausfallen. Die Technik kann die Risiken mindern oder aber erhöhen. Minderungsmassnahmen reichen vom Funkkontakt mit der Revierzentrale im Hafenbis zur Pflicht der zwei Antriebsmotoren und der Doppelwand bei Tankschiffen. Die Eidgenossenschaft erlaubt auf der Fahrt durch Basel Schiffe von 110 Metern Länge und unter besonders strengen Restriktionen auch Schiffe bis 135 Metern Länge. Der Fluss ist schmal: 170-220 Meter breit ist er, aber die Schifffahrtsrinne mit einer hinreichenden Fahrtiefe ist schmaler. Der Raum für Manöver ist eng! Man muss sich die Frage stellen, wie weit der Bundesrat als Verordnungsgeber hier seine Verantwortung wahrnimmt, wenn er 135 Meter-Schiffe zulässt.
Auch die Bundesbehörden als oberste Regulatoren sind mitverantwortlich, sollte etwas passieren. Deshalb sind sie in unserem Schema zur Verantwortungsstruktur als übergreifende Instanz eingezeichnet.
Stichproben im Schiffsradar zeigen, dass 135 Meter-Schiffe die Schleuse in Birsfelden passieren, um ihre Fracht im Birsfelder Hafen oder im Auhafen Muttenz zu löschen. Die grossen Kreuzfahrtschiffe im St. Johann und im Klybeck sind auch 135m lang. Die üblichen Frachtschiffe haben eine Länge zwischen 80 und 110 m. Im Rechtsbereich der Mannheimer Akte (z. B. im Rheinhafen) dürfen die Schiffe noch länger sein.
Die Kantone BS und BL liessen 2016 von Ingenieuren eine Risikostudie erstellen. Zugänglich sind die Texte «Risikoermittlung Rhein 2016, Synthesebericht» und der zugehörige «Kontrollbericht». Darin wird für einige Schadenindikatoren «die Risikosituation der Bevölkerung … unter Berücksichtigung der getroffenen und empfohlenen Massnahmen im Sinne einer Eigenbeurteilung als tragbar beurteilt.»
Anders liegen «für den Schadenindikator "verunreinigte oberirdische Gewässer"» die Werte für den Zeithorizont 2025 «im nicht akzeptablen Bereich». Dieser Bericht hat die beiden Basel und die Eidgenossenschaft veranlasst die Risiken zu mindern. Unter den Massnahmen erwähnt der «Kontrollbericht» die Austiefung des Flussbettes um 30 cm. Für uns Schwimmer:innen sind die Bagger- und Aufschüttarbeiten sichtbar und als Aufenthaltsstrände gut nutzbar. Weiter ist der Lotsendienst in die Rheinhäfenverwaltung integriert worden und die Ausguckpflicht rechtlich vorgeschrieben. Flüssiggastransporte nach Basel gibt es noch nicht. Das Management der Risiken gilt im Kontrollbericht als noch ungeklärt. Interessant ist der Hinweis der BaZ (22.02.2025) auf die Teilsperrung des Rheins für Risikotransporte während der ESC-Zeit im Mai 2025. Der «Kontrollbericht» erwähnte schon die «verstärkte Einschränkung des Gefahrenguttransportes während Grossanlässen wie z. B. Fasnachtsumzügen im Bereich des Rheinufers». Das Publikum des ESCs profitiert mit der Sperrung von der 2016-Studie.
Ein Restrisiko bleibt bestehen. Worauf wir schwimmenden Leute vertrauen können, sind die Bemühungen der verschiedenen Behörden um die Sicherheit auf und im Rhein. Hier ist man bemüht, umsichtig zu handeln. Weder in der Mannheimer Akte, noch im Schweizerischen Binnenschifffahrtsgesetz steht etwas zu den Schwimmenden. Wir sind klein und verletzlich und nur in Basel sind wir im Horizont des Staates. Was die Schwimmer:innen aus unseren Überlegungen lernen und uns hinter die Ohren schreiben müssen: Halte Dich im Rhein von den Schiffen fern.